"Stille Euthanasie" in der Landesheilanstalt
Schon 1937 wurde der Verpflegungssatz bei den als unheilbar geltenden Kranken gesenkt, weil bei ihnen alle Bemühungen ärztlicher und therapeutischer Art aussichtslos seien. Während des Krieges spitzte sich die Ernährungslage in der Landesheilanstalt weiter zu, obwohl der Anstalts-Gutshof eine bessere Verpflegung hätte gewährleisten können.
Ab 1942 nutzte die Wehrmacht neun der dreizehn Krankengebäude als Lazarett, was zu drangvoller Enge führte. Für 400 Patientinnen standen nur zwei Ärzte zur Verfügung. Die Pflegesituation muss als katastrophal bezeichnet werden. Die Sterblichkeitsrate erreichte 1944/45 mehr als 30 %. Sie lag in allen Altersklassen ab dem 40. Lebensjahr annähernd gleich hoch – ein deutlicher Hinweis auf die todbringenden Lebensbedingungen in Merxhausen.
Man hatte die Ernährung soweit wie möglich reduziert und so den körperlichen Verfall der Patientinnen in Kauf genommen. Die Behandlung von Infektionen wurde auf ein Minimum beschränkt. Der schnelle Tod der Frauen wurde akzeptiert. Zu Recht bezeichnet man dies als "stille Euthanasie".
Luise Greger (1861 – 1944)
Stellvertretend für das Schicksal unzähliger Frauen, die in Merxhausen den Tod fanden, steht das Luise Gregers. Sie galt schon früh als musikalisches Talent. 1888 heiratet sie den Arzt Dr. Ludwig Greger, mit dem sie und die drei Söhne 1894 nach Kassel übersiedelten. 1911 ließ sie sich scheiden. Als Kammersängerin, Pianistin und Komponistin feierte sie danach große Erfolge.
1939 kam Luise Greger wegen beginnender Altersbeschwerden ins Siechenhaus Gesundbrunnen nach Hofgeismar. Da sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechterte, wurde sie im Dezember 1943 nach Merxhausen verlegt. Durch mangelhafte Ernährung und fehlende medizinische Versorgung wurde sie immer schwächer. Eine Bronchitis führte schließlich zu ihrem Tod.